07. Juli 2012 – 3 Tage und 3 Bekanntschaften an der Grenze Erenhot
Nachdem wir den Papierkram in Jilin eingesammelt hatten, sind die Jungs bis nachts durchgerauscht, damit wir am nächsten Tag pünktlich in Erenhot an der Grenze sein können. Im staubigen
Suniteyouqi geht uns gen Mitternacht der Sprit und die Puste aus. Shang klingelt an einer Unterkunft, in einer Art Schaufenster geht das Licht an und ein nackter Mann steht aus seinem Bett auf,
um Shang einzulassen. Wir campen vor der Tür und werden am nächsten Morgen von chinesischer Schlagermusik geweckt, die durch die ganze Straße plärrt. Immerhin ist das Kaff im Morgenlicht gar
nicht so schlimm, wie ich es nachts vermutet hatte.
Am Mittwoch reicht Shang unsere vollständigen (?) Papiere noch vor der Mittagspause bei der Zollagentur ein. Wir machen letzte Erledigungen in Erenhot und treffen vor dem Supermarkt den in der
Mongolei lebenden Tschechen Albert, der uns bereitwillig erste Tipps für unser nächstes Reiseland gibt (zu dem Zeitpunkt wusste noch keiner, dass Albert unser neuer Shang werden sollte).
Dann warten wir auf ein OK von den Zollbehörden für unsere Ausreise. Und warten und warten und es wird immer später am Nachmittag. Die Grenzen schließen um 17Uhr. Da läuft uns Benji über den Weg. Als das erhoffte Ausreise-OK nicht kommt, versacken wir mit ihm zum späten Mittag- bzw. Abendessen und hören seine Geschichten, wie er die Meerenge zwischen der Insel Saccalin und dem russischen Festland zu Fuß (übers Eis) überquert hat und er meint, dass es sich nicht gerade anbietet, im russischen Winter zu campen, wenn hungrige Bären zu früh aus dem Winterschlaf aufwachen. Gegen Benji’s Trips ist unsere Reise der absolute Kindergarten, doch der 37jährige Australier erzählt seine Extremabenteuer ganz selbstverständlich und sympathisch und scheint es sichtlich zu genießen, mal wieder mit jemandem zu plaudern, denn in den letzten Monaten, meint er, war er ausschließlich in Regionen unterwegs, wo keiner Englisch sprach. Wen’s interessiert: www.earthodyssey.net
An Tag 3 in Erenhot kommt Andi ganz aufgeregt an und meint: „Euer Auto hat einen kleinen Bruder bekommen“ und tatsächlich, neben uns parkt ein dunkelblauer LandCruiser BJ. Einige Stunden später haben wir einen weiteren Tag lang keine Ausreisegenehmigung bekommen und folgen dem blauen BJ zu einem Offroad-Auto-Treffen. Wir haben Shang aus dem Hotel abgeholt, ohne dass er weiß, wo es hingeht und bei bester Laune ist er wegen unserer erneuten Behördenprobleme auch nicht. Doch wir wissen genauso wenig, was uns erwartet, und folgen einfach Black Beauties Doppelgänger, der kurz hinter Erenhot in ein Ger(Jurten)-Camp abbiegt. Wenn wir schon nicht in der Mongolei sind, sollen wir nun immerhin eine Party in einem inner-mongolischen Ger-Camp miterleben. Sogar Shang bekommt wieder bessere Laune nach ein paar Drinks und ist ganz aufgeregt, weil der die 4x4-Clubs (www.fblife.com) kennt, zu deren Ehrenmitgliedern wir nun gemacht werden. Während auf dem Parkplatz 4x4-Fahrzeuge begutachtet werden, wird an der letzten Hütte das Abendessen traditionell geschlachtet und für den Topf vorbereitet. Die Frauen tragen Schürzen vor ihrer guten Kleidung, während sie die Innereien auswaschen, die ihnen die Männer aus dem frisch geschlachteten Schaf reichen. Blutwurst wird mit Mehl und Schnittlauch angerührt und in Därme gefüllt. Ein bisschen später steht sie frisch dampfend neben den Hammelkeulen und verschiedenen chinesischen und mongolischen Schnäpsen auf dem Tisch.
(Bilder hier) Muss ich noch mehr zu unserem letzten Abend in China sagen? Am nächsten Tag verpennen wir jedenfalls ein bisschen, bis das Telefon klingelt und Shang meint: „Ausreise heute vor Mittag, schnell, schnell“
Nach all dem Navo-Heckmeck haben wir übrigens eine versöhnlich stimmende Kostenrückerstattung in Bar bekommen, die wir schnell noch tauschen und in die mongolische Reisekasse stecken. Dann ging das Ausreiseprozedere auch ganz schnell und reibungslos. Das war’s. Aus geplanten 21 Tagen China sind mehr als 42 geworden. Der Abschied von Shang fällt ein bisschen schwer. Nachdem das Büro in Chengdu so vieles verkackt hat, hat er sich für uns ins Zeug gelegt und wir hatten nen wirklich coolen Trip zusammen. Aber an sonsten freuen wir uns nun endlich weiter reisen zu können.
03. Juli 2012 – vor; zurück; zur Seite…..
(hängendes Kloster, Yungang Grotten & Mauer) (Bilder Kloster & Grotten)
Die letzten Tage unserer Chinareise haben wir einen Zickzackkurs eingeschlagen. Denn einerseits wollten wir ja so bald wie möglich raus aus China und weiter, aber solange die Ausreisepapiere noch
nicht beisammen waren, haben wir uns natürlich lieber was angesehen, als nur wieder zu warten.
So ging es erst vorwärts zu den Yungang Grotten und dann nochmal zur Seite Richtung Chinesische Mauer. Dann erfuhren wir erfuhren, dass wir zurück sollen, um unsere Papiere, auf halbem Wege
selbst abzuholen.
Zuerst lag das hängende Kloster auf unserem Weg. Die hohen Erwartungen, die wir daran hatten, wurden von der doch
recht kleinen aber dennoch überlaufenen und überteuerten Anlage leider enttäuscht. So ging es auch recht schnell weiter Richtung Datong zu den Yungang Grotten.
Hier waren wir um so beeindruckter, vor allem weil sie so unterschiedlich im Vergleich mit den Longmen Grotten waren. Die Statuen in den ersten Höhlen waren durch Witterung und Erosion kaum
erhalten, doch dann sollten wir durch Höhlen klettern, die jedem Indiana Jones Film eine tolle Kulisse geboten hätten, um später in Grotten anzukommen, die hoch wie Kirchenschiffe und bis unter
die Decke mit in Stein gehauenen buddhistischen Szenen geschmückt waren. Im Zentrum einer jeden Höhle saßen gelassen und freundlich die riesigen Buddah-Statuen. Besonders beeindruckend waren vor
allem die Höhlen, in denen die Farben an Buddahs und Wandverzierungen noch erhalten waren.
Leider waren die Grotten nicht so hübsch am Fluss gelegen wie die Longmen Grotten und so haben die Chinesen eine niegelnagelneue Tempel- und Parkanlage drum herum gebaut. Diese hat wenig Charme
und verhindert auch nicht den Blick auf die umliegenden Kohlebergwerke.
Als wir am nächsten Tag mehrere hundert Kilometer Richtung chinesische Mauer gefahren waren, bekam Shang einen Anruf
vom Büro und meinte, wir müssen unsere Papiere nun selbst abholen. In dem Moment waren wir aber schon zu viele Kilometer in die falsche Richtung gefahren, um einfach umzudrehen. Zum Glück, denn
dieser Besuch bei der Mauer sollte ein mehr als gelungener Abschluss für unsere Chinareise werden.
Wir steuerten Huang Hua Cheng an, ein Mauerstück am See. Es ist touristisch noch nicht ganz erschlossen, mit Betonung auf noch. Das Mauerstück wird gerade fertig restauriert und immense
Parkplätze und Ticketschalter davor platziert. In einigen Monaten oder bestenfalls einem Jahr, hätten wir hier nicht mehr alleine im Mondschein am Fuße der chinesischen Mauer campen können. Doch
heute hatten wir noch Glück und eine beeindruckende Kulisse für eines unserer letzten Camps in China.
Am nächsten Morgen hatte Shang noch ein Ass im Ärmel. Der Familienvater seiner Pension hatte angeboten, uns zu einem nahezu unberührten Mauerstück zu führen. Die Wanderung ging durchs alte Dorf,
durch Gemüsegärten hinter dem Dorf, durch Walnusswälder hinter den Gärten und dann nur noch durch Busch und Gestrüpp empor zur Mauer. Sie war seit der Ming-Dynastie nicht mehr instand gesetzt
worden, ragte aber majestätisch empor und sieht erstaunlich intakt aus. Lediglich oben drauf hatte sich die Vegetation gegen die Pflastersteine durchgesetzt und einer der Wachtürme war weniger
gut erhalten als der andere. Als wir ihn bestiegen, hatten wir nicht nur einen atemberaubenden Blick über die umliegenden Berge, durch die sich die Mauer zog so weit das Auge reichte. Wir sahen
auch, dass der Wachturm, den wir gerade erklommen hatten, derjenige ist, den wir die ganze Zeit von unserem Camp aus gesehen hatten und zusammen mit unseren Autos bereits 100mal fotografiert
haben. Daneben war das frisch restaurierte und polierte Mauerstück, auf dem die Touristen bald in Stöckelschuhen flanieren und fotografieren können. Wir jedoch steigen über Stock und Stein hinab
ins Dorf, um dann mal langsam unsere Papiere einzusammeln und in den Grenzort Erenhot zu fahren.
30. Juni 2012 – die spirituelle Seite Chinas (Bilder
Wutaishan)
Bis auf die zweifelsohne beeindruckenden Touristenattraktionen, hat sich uns China meist ziemlich dreckig, versmogt, staubig uns dicht besiedelt mit Betonbauten präsentiert. Doch am Wochenende wurden wir von einem ganz anderen China verzückt: ein klarer, blauer Himmel erstreckt sich über endlosen grünen Bergformationen des Wutai Shan Gebirges, in dessen Tälern unzählige bunte Tempelanlagen liegen, in denen Mönche seit Jahrhunderten die Gebetsmühlen drehen und Gläubige hin pilgern, um sich auf bis zu 3000 Höhenmetern Buddah näher zu fühlen.
Auch Shang, der die Berge mehr liebt als die Städte, ist wie ausgewechselt. Er läuft zur Bestform auf, als er am Sonnabendmorgen mit seinem Mäppchen losrennt und irgendeinen hohen Beamten davon überzeugt, dass wir mit unseren Autos in die Berge fahren dürfen, anstatt sie wie eigentlich vorgeschrieben auf einem riesigen Parkplatz stehen zu lassen und uns mit Shuttlebussen von Tempel zu Tempel kutschieren zu lassen. Nachdem wir hinter die Schranke eskortiert wurden, feixt er sich ins Fäustchen, weil die Papiere, die er dem Beamten unter die Nase gehalten hat, abgelaufen sind. (Navo eben, wir fahren seit gestern ohne gültige Papiere.)
Auch der Schlagbaum am Ost-Gipfel öffnet sich für uns, nachdem der Schrankenwart und all seine Kumpels dort freundlich unsere LandCruiser begutachtet haben. Unsere Autos stampfen bis auf 2700m
Höhe und wir genießen den absolut grandiosen Ausblick.
Am Vormittag hatten wir einige Tempel und Klöster um die berühmte Stupa am Wutaishan besucht, bunte Farbtupfer in der grünen Landschaft. Das Kloster auf dem Ost-Gipfel ist nicht so strahlend bunt, dafür um so authentischer. Als wir neugierigen Touristen es besuchen, findet gerade eine Art Buddhistischer Gottesdienst statt und noch während ich die singenden Mönche beobachte liegt ein Gebetskissen vor mir und ich bin mittendrin in der Zeremonie zwischen Mönchen, Nonnen und einigen „zivilen“ Buddhisten. Das Mädchen neben mir stupst mich immer wieder an und zeigt mir u.a. wie das Räucherstäbchen gehalten wird. Ich bin überwältigt, wie offen und freundlich die Buddhisten zu mir als Fremde sind, aber auch wie farbenfroh es in den Tempeln ist und wie wunderschön und vielseitig die Buddahs aussehen. Ganz anders als graue Kruzifixe in europäischen Kirchenmauern.
Shang wird die Nacht im Tempel schlafen, während wir unser Camp außerhalb der Klostermauer aufbauen, Besuch von ein paar neugierigen Mönchen bekommen und Reis mit Zuccini mit grandiosem Bergblick
kochen.
Die Nacht wird jedoch windig und kurz. Um vier wecken uns Mönchsgesänge aus dem Kloster, während die Sonne langsam über den Bergketten aufsteigt. Ein unvergesslicher Eindruck.
28.Juni 2012 – mit dem UFO durch die Raffinerie ins Mittelalter
Seit wir mit dem LandCruiser durch China fahren kann ich mir vorstellen, wie Außerirdische sich fühlen müssen, die auf der Erde landen.
Wann immer wir anhalten, bildet sich eine Menschenansammlung um uns herum. Erst rätseln die Chinesen, was wir denn eigentlich sind und was wir hier wollen. Manchmal hören wir auch ein heimliches
Kameraklicken, wenn wir noch im Bett sind. Dann werden die tapfersten vorgeschickt, um eine Kontaktaufnahme zu versuchen, die in der Regel in die Hose geht. Wir vermuten, sie wollen wissen, wo
wir herkommen und wir haben die Wörter für „Deutschland“ und „Australien“ gelernt, stoßen aber oft genug auf verwirrte Blicke, wer weiß wie diese Wörter ausgesprochen werden und was wir da
eigentlich sagen. Manche Leute fragen offenbar nach Zahlen, sie wollen wohl wissen, wie viel so ein Ufo wert ist oder es ist der Parkplatzwächter, der die Gebühr haben will…
In der Regel stehen wir auf, machen Frühstück und packen unser Camp unter den wachsamen Augen der Einheimischen. Manche sind zurückhaltend und freundlich aber einige sind so neugierig, dass ich
befürchte, sie wollen unsere Frühstücksbrote kosten.
Dann steuern wir unsere Ufos auf die nächste Autobahn und düsen weiter durch den Dunst und allzu oft entlang von Fabriken, Schornsteinen, Raffenerien und Bergwerken, um am Ende
überraschenderweise doch an einem historischen Ort anzukommen. Diese sind teilweise jahrhunderte oder gar –tausende alt und tatsächlich noch so erhalten wie einst.
In Zhangbi sieht es unwirklich aus, wie wir unsere LandCruiser durch die Torbögen der Festung in die alte Stadt fahren, während uns ein Maultierkarren entgegen kommt. Wie eine Filmkulisse und ein
neuer Teil von „Zurück in die Zukunft“, nur dass dies kein Film ist, sondern die Realität.
Die Menschen hier haben allen Grund, uns anzusehen, als wären wir Aliens. Hier scheint die Zeit wirklich stehen geblieben zu sein.
Abendessen gibt es im Hof einer lokalen Familie, die noch nie für Fremde wie uns gekocht hat. Wir bringen unsere außerirdischen Campingtische und -Stühle mit, da sie nicht genug Holzschemel für
uns hätten und die Nachbarn kommen neugierig gucken, was wir für welche sind.
Dagegen kommt es uns innerhalb der Stadtmauern von Pingyao erstmal sehr touristisch vor, was aber voreilig ist. Sicher, die
Hauptstraßen sind neu gepflastert und es gibt auch Latte Macciato in schick renovierten Lokalen für die Touristen, die es wollen. Doch die Stadt ist trotzdem echt und unsereins muss
einfach nur um ein paar Ecken in andere, ungepflasterte Gassen schlendern, wenn man es ursprünglicher will.
Mich erinnert Pingyao an Fantasy-Computerspiele, doch auch das ist nicht digital, sondern real.
26. Juni 2012 – einen Gang zurück schalten
Im Eiltempo brettern wie über chinesische Autobahnen, um nach den Startschwierigkeiten noch ein bisschen Zeit aufzuholen. Dabei werden wir den Smog nicht los, auch nach Hunderten gefahrenen
Kilometern verhängt er die Sicht auf Berge und Täler. Bessere Luft und unberührtere Gegenden wie in Australien werden wir wohl erst in der Mongolei wieder haben. Beim Mittagessen reden wir mit
Shang über unsere Weiterreise und wie die Grenzüberquerung in die Mongolei von statten gehen soll. „Wenn alle Papiere da, dann nur ein paar Stunden“ meint Shang. „Aber es sind doch alle Papiere
da?“ frage ich … Shang sackt in sich zusammen: „Zollpapier noch nicht da“. Uns fallen die Essstäbchen in die Nudelsuppe.
Aus der kurzen Mittagspause werden mehrere Stunden, schnell weiterfahren brauchen wir ja nun sowieso nicht mehr. Also: Tee trinken, ungefähr 3 Kannen, die wir nicht mal bezahlen müssen. Während
Shang mit Navo telefoniert und wir über der Karte nun wieder eine ausführlichere Alternativroute ausbrüten.
Der einzige Bonus ist, dass wir die erneute Navo-Schlamperei nicht erst am Grenzübergang Erenhot festgestellt haben. So können wir uns jetzt mehr Zeit für Land und Leute nehmen, die oft aber gar
nicht so schön sind. Doch unsere Russen Visas sind mit der neuen Verzögerung nun komplett hinfällig und unser ganzer Reiseplan und die Ankunft zu Hause im deutschen Sommer für die Katz.
25.Juni 2012 – Terrakotta Armee &
Xi’An (Bilder Xi'An)
Meine Erwartungen an die Terrakotta Armee waren nicht so hoch, es sind halt viele lebensgroße
Tonfiguren, dachte ich. Doch um so beeindruckender war es, am Sonntag vor ihnen zu stehen.
210 vor Christus ließ der erste chinesische Kaiser Quin Shihuang die gewaltige Grabanlage bauen und wollte, dass die Armee aus bewaffneten
Tonkriegern ihn und sein Reich auch nach dem Tode beschützt. Über 7000 Figuren (Soldaten, Bogenschützen, Offiziere und Pferde) sind bisher entdeckt worden, eine jede Figur mit individuellen
Gesichtszügen, verschiedensten Frisuren, Rüstungen und Waffen. Neben dem Alter und der Anzahl der Tonstatuen war ich aber auch überrascht, dass sie erst 1974 entdeckt wurden, als ein Bauer einen
Brunnen graben wollte.
Doch Xi’An ist nicht nur für die Terrakotta Armee bekannt, es gilt auch als Anfangs- oder Endpunkt der Seidenstraße. So gibt es zum Beispiel ein turbulentes muslimisches Viertel mit Ständen und Märkten, durch das wir am späten Nachmittag bummelten, nachdem wir die gewaltigen Eindrücke der Terrakotta Armee bei einem Spaziergang durch den Garten der kleinen Wildganspagode hatten sacken lassen.
Wenn nun der Eindruck entstanden ist, dass Xi’An eine historische Stadt sei, so stimmt das zwar. Sie blickt auf eine lange Geschichte im Kaiserreich und als Handels- und Hauptstadt zurück. Jedoch
auch auf zu viele Jahre Kommunismus. Der Blick von der Spitze der Wildganspagode zeigt leider eine Stadt wie so viele in China, bestehend aus Betonblöcken, Hochhäusern und einer Dunstglocke. Nur
ein altes Foto zeigt die Pagode in mitten von Feldern, umgeben von ein paar kleinen Hütten.
Es ist ein komischer Gedanke, wie die Tonkrieger über tausende Jahre unentdeckt das Grab des Kaisers bewachten, während Äonen später in nur wenigen Jahren so viel Beton um die alten
Wildganspagoden aufgetürmt worden ist.
23. Juni – die ersten Reisetage von Nanjing bis Xi‘An
In Nanjing höre ich das erste Mal seit dem morgendlichen Bergaufstieg in Tai An Vogelgezwitscher. Wir waren eindeutig zu lange in Shanghai. Um so schöner ist es nun, die ausgedehnten Parkanlagen
am Purpurnen Berg nahe Nanjing zu erkunden.
Dann geht es mit straffem 10-Tage-Reiseplan weiter geht Richtung Xi’An. 750km an einem Tag schaffen die Fahrer und Autos problemlos. Nur dem Portemonnaie tut es ein bisschen weh, denn die Maut-
und Treibstoff-Kosten sind nicht unbeachtlich. Gespart wird dafür am Mittagessen und zwar am Geld und an der Zeit, denn wir haben das Auto voller billiger Nudeltöpfe (à la 5-Minuten-Terrine) aus
dem Supermarkt und an jeder Raststätte gibt es Heißwasser, das man einfach nur drüber kippt.
So können wir unser zweites Camp bereits bei Luoyan an den Drachentor- oder Longmen-Grotten aufschlagen und uns am nächsten Morgen die unzähligen Höhlen voller Buddah-Statuen von ca. 17mm bis 17m Größe ansehen.
Bereits zu Mittag sind wir dann wieder auf der Straße zur Terrakotta Armee, die wir am späten Nachmittag erreichen. Wir staunen nicht schlecht, Zig-Tausende Kilometer früher als erwartet das erste Berliner Kennzeichen zu sehen. Martin und Sarah sind mit www.tigerbus.de u.a. über Pakistan, den Iran und Indien nach China gekommen und hier ebenfalls mit Navo unterwegs. Natürlich jibt et ville zu palavern und ruckzuck campen 6 Berliner auf einem chinesischen Dorfplatz nahe der Terrakotta Armee.
21. Juni 2012 – und plötzlich ging es los
(Bilder siehe Shanghai, unten)
Tag 30 in China, Tag 20 in Shanghai. Wir waren zwar nicht ganz glücklich mit den Umständen, aber irgendwie
konnte man fast sagen, wir hatten uns „eingelebt“. Unser Kiez in Shanghai, die dunkle Gasse, zu der ein Mexikaner im Hostel meinte, wenn die in Mexico City wäre, würde er im Leben keinen Fuß da
rein setzen. Unser Bäcker um die Ecke, den wir 20 Tage lang besuchten und der nach einer Weile auch endlich begriffen hatte, wie Nico seinen Kaffee will. Der Obststand, wo ich bestimmt 8
Wassermelonen gekauft habe, jeden Tag ein Stückchen. Und natürlich Föhni, unser Grillmann, der die Holzkohle immer mit dem Föhn anheizt und darauf leckere Spieße brät. …
Als ich am Mittwoch so mit Nico vom Bummeln in der Stadt zurückkomme, war eigentlich alles wie immer, bis ich mich wundere, warum Andi und Konny wild im Troopy rumräumen, sortieren, Dinge
verstauen und machen und tun und den verwirrenden Satz sagen: „na morgen fahren wir doch los“. Losfahren – daran war die letzten 2 Wochen kaum zu denken gewesen. Während ich mich frage, ob das
wirklich sein kann, sehe ich, wie Shang im Garten des Hostels die Versicherungspapiere unterschreibt.
Nach dem Packen gibt es ein letztes Abendessen bei Föhni und am nächsten Morgen checken wir endlich aus dem Hostel aus, in dem wir ursprünglich für 3-4 Nächte bleiben wollten und steigen in
unsere Autos, wie wir es hätten am 4. Juni tun sollen. Auf der Fahrzeugverwaltungsbehörde werden die LandCruiser abermals begutachtet und zig Papiere abgeglichen, bis zur Mittagspause. Nach der
Mittagspause werden die restlichen Tausend Formulare gecheckt und irgendwann steht Shang mit einem „Ta-daaaa“ und unseren Kennzeichen vor uns – ein paar Minuten später sind wir endlich unterwegs.
Nichts wie raus aus Shanghai. Und ich freue mich auf die erste Nacht im Dachzelt seit über einem viertel Jahr.
19. Juni 2012 – Fortsetzung
Was bisher geschah: seit 1. Juni sind wir in Shanghai, und sollten innerhalb von 1-3 Tagen unsere Autos aus dem Hafen abholen, zulassen und unsere Führerscheine bekommen, um zu einer 15-tägigen
Selbstfahrreise zu starten. An Tag 16 in Shanghai, haben wir immerhin unser Auto, Black Beauty, bekommen, doch noch dürfen wir nicht fahren.
Wir haben Black Beauty an einem Samstag bekommen und mussten bis Montag-Morgen warten, um mit dem Zulassungsverfahren weiter fortzufahren. Tüv hat unser kleines Schwarzes ohne Probleme bekommen.
Doch dann stellte sich heraus, offenbar hat es in Shanghai bisher noch nie Toyota LandCruiser gegeben, daher ist dieser Fahrzeugtyp auch nicht im Zentralregister für die Shanhaier
Versicherungsgesellschaften und wir können die nächsten Tage keine Versicherung bekommen. Nun war auch ich nah dran, die Fassung zu verlieren.
Zwischendurch waren wir auf dem Verkehrsverwaltungsamt, um unsere chinesischen Führerscheine zu machen. Zuerst wurden Fotos benötigt, nicht dass wir schon seit Ewigkeiten welche eingereicht hatten und auch noch Passfotos dabei hatten, nein, die Führerscheinfotos mussten von einem mauligen Verkehrsverwaltungsbüro-Fotografen neu gemacht werden. Dann mussten wir uns einiger „Körpertests“ unterziehen und wurden von einem Raum zum nächsten geschickt, wo ruppige Chinesen in weißen Kitteln uns testeten und bescheinigten, dass ich laut EKG am Leben bin und mit einer Größe von 1,71m bei einem Gewicht von 53kg (ja, ich hab abgenommen), einem Gehör ab 30dbl und perfekter Sehkraft (ich hab Kontaktlinsen getragen) in China zum Auto fahren tauglich bin. Ach ja, erstaunlicherweise hatte ich einen ganz ruhigen Blutdruck, was sich schnell ändern sollte, als wir nämlich die Führerscheine am Ende nicht bekommen konnten, weil der Drucker nicht ging und sowieso gerade Feierabend war. Und für alle, die sich fragen, warum wir zwar Körpertests machen mussten, aber keinen Theorietest - wenn man sich den Verkehr hier anschaut, da scheint keiner einen theoretischen Test gemacht zu haben. Aber noch haben wir ja sowieso Zeit, uns den chinesischen Verkehr als Fußgänger anzusehen, denn Losfahren ist noch immer nicht angesagt.
16. Juni 2012 – Fortsetzung vom 9. Juni, Etappensieg
(Bilder vom Container Entpacken)
Ich habe die letzten zwei Wochen überwiegend mit Warten im Hostel verbringen müssen, während ich das Gefühl hatte, dass Nico und Andi viel mehr machen. Doch heute hab ich mich an Andi’s Stelle manövriert und konnte mal miterleben, wie die letzten 14 Tage der Jungs so aussahen (obwohl das nicht ganz richtig ist, denn im Gegensatz zu den letzten 2 Wochen haben wir jetzt Etappensieg zu verzeichnen).
Aber von Anfang an: Kamikaze-Taxifahrt zum Hafen-Gelände, ich denke, wir werden gleich sterben, aber Nico weiß mittlerweile schon, dass er besser nicht drauf achtet, wenn der Fahrer mitten auf
der Autobahn anhält, weil er nicht weiß, ob er diese Abfahrt jetzt nehmen soll oder nicht.
Irgendwie kommen wir lebendig und überpünktlich zum 14-Uhr-Termin an der Container-Verwaltungs-Stelle an und … WARTEN! Nico lässt sich gelassen in den Stuhl sinken, er ist daran gewöhnt, während
ich nervös hin und her rutsche. Um 14:25Uhr telefoniert unser Reisebegleiter Shang und teilt uns dann mit, dass er nicht weiß, wo sich der Container mit unserem Auto befindet und dass der
Zollbeamte voraussichtlich gegen 16Uhr da sein wird. Der TÜV macht übrigens um vier zu. Das Mädchen vom Verwaltungsbüro macht uns einen Tee.
Um 15Uhr rum biegt ein alter Laster mit einem gelben MSC-Container um die Ecke. Ich springe auf, vergleiche die Containernummer mit unseren Papieren und … JA, das ist unserer! Er sieht aus wie
Hunderte, ach, Tausende von anderen Containern auf dem Hafengelände, doch in diesem ist Black Beauty. Ein Kran stellt ihn vor uns ab. Nur noch ein paar cm Stahl, einige verplombte Riegel und das
OK eines Beamten trennen uns von unserem Auto. Doch bis zum Eintreffen des Beamten heißt es nochmals Abwarten und Tee trinken.
Als schließlich alle wichtigen Personen und Papiere vor dem Container versammelt sind, schlendern einige Arbeiter mit Bolzenschneider, Kuhfuß und Hammer herbei. Sie machen ihren Job gleichgültig
und alltäglich wie immer, einfach einen Container öffnen, doch für mich ist es ein so befreiender Moment, als sich nach all dem Bangen und Warten die Containertür öffnet und ich Black Beauty das
erste Mal wieder sehe, seit wir sie vor genau 3 Monaten, am 16.März in Perth abgegeben haben. Unser Auto, unser Zu Hause, alles ist an seinem Platz, wie wir es vor einem viertel Jahr verlassen
hatten (sogar die Flasche Bundaberg-Rum in der Spülschüssel, die zur Feier des Tages noch zum Einsatz kommen wird).
Nach einigem Hin und Her um nicht übereinstimmende Nummern auf Papieren und Fahrzeug, die weder uns, noch den australischen Behörden jemals aufgefallen waren, dürfen wir unser Auto am Ende
tatsächlich mitnehmen und parken es am frühen Abend neben Andi’s & Konny’s „Weißem Wombat“, den die Jungs gestern befreit haben, nachdem sie ihn vorgestern nur hinter Gittern besuchen
konnten.
Doch wie eingangs erwähnt, ist es nur ein Etappensieg. Wir dürfen die Autos eigentlich noch nicht auf Chinas Straßen fahren. Denn ohne Zoll kein Fahrzeug, ohne Fahrzeug kein TÜV, ohne TÜV keine Versicherung, ohne Versicherung keine Zulassung/Kennzeichen und Führerscheine. Und wir sind ja erst beim Punkt „Fahrzeug“…
Also kann ich nur wieder sagen: Fortsetzung folgt.
11. Juni 2012 – Plan B, das Beste draus machen
Plan B sieht derzeit so aus, dass wir einige Touren mit Bus und Bahn machen, die wir mit jedem Tag des Wartens auf die Behörden von der Autoreiseroute streichen müssen.
Bus fahren ist am lustigsten. Wenn wir mit unseren Zetteln mit chinesischen Zeichen einsteigen, werden die Zettel bald rumgereicht und irgendwann beteiligt sich die Hälfte der Fahrgäste daran,
erst miteinander zu fachsimpeln und uns dann die richtige Station und den Weg zu erklären, alle gleichzeitig, von allen Seiten und natürlich auf chinesisch.
(Bilder Zhujiajiao)
Doch vor ein paar Tagen sind wir auf diese Art gut in der Wasserstadt Zhujiajiao angekommen. Ein wunderschöner Kontrast zum modernen Shanghai. Hier sind die Kanäle und Gassen noch wirklich alt und nicht wie in der Shanghaier Altstadt abgerissen und im alten Stil neu wieder hingestellt. Im Stadtkern Zhujiajiaos sind zwar die meisten Gebäude renoviert und als Restaurant, Galerie oder Laden aufgeputzt, aber wenn man nur ein paar Schritte weiter geht, sieht man auch die normalen, nicht touristischen Gassen des Städchens. Wir bummeln durch die engen Straßen, flanieren über die kleinen Brücken, spazieren entlang der Kanäle, probieren die lokalen Spezialitäten an den Ständen und finden am Ende auch wieder den richtigen Bus zurück nach Shanghai.
Fahrten mit dem Schnellzug sind verglichen mit Busfahrten eigentlich unspektakulär. Das Besorgen der Tickets dafür um so weniger. Es hat 5 Personen mit ungefähr 9 verschiedenen Meinungen Sage und Schreibe 1/2 Tag gekostet, 4 Fahrkarten nach Hangzhou zu kaufen. Es wurden im Internet Verbindungen und Preise recherchiert, diese alle durchdiskutiert und am Ende zu einer Ticketverkaufsstelle marschiert, die wir ohne unseren Reiseleiter Shang nie gefunden hätten. Am darauffolgenden Morgen wird Shang drei Kreuze gemacht haben, dass er uns für einen Tag los war und wir waren auf dem Weg zum Westsee.
Bei 33 Grad und gefühlten 90% Luftfeuchtigkeit hängen die Wolken und vielleicht auch der Smog leider so tief über dem See und der malerischen Kulisse, vor der er sich eigentlich erstrecken sollte, dass wir seine Schönheit oft nur erahnen können. Doch wir machen das Beste draus, wandeln durch hübsche chinesische Gärten, spazieren über den Damm und fahren mit dem Boot zur Xiao Yingzhou Insel. Da das Wetter nicht ganz so mitspielt, ist mein Hangzhou-Highlight jedoch das Hangzhou-Huhn oder auch Bettler-Huhn. Wir probieren es kurz vor der Rückfahrt in einem kleinen Lokal in einer Imbiss-Gasse. Es handelt sich um ein junges Huhn, das im Ganzen (also mit Füßen und Kopf) in ein Lotusblatt und Lehm gewickelt und so gegart wird, sehr aromatisch und lecker.
09. Juni 2012 – Passierschein A38
Laut Navo-Reiseplan sollten wir jetzt bereits 1000-1500 km in China zurückgelegt haben und bald bei der Terrakotta Armee angekommen sein. Stattdessen sitzen wir seit 10 Tagen im billigsten Hostel Shanghais fest.
Erinnert ihr euch noch an „Asterix erobert Rom“ und die Aufgabe Nummer 8, den Passierschein A38 im Haus,
das Irre macht zu besorgen?!? Nun sucht euch aus, ob Nico oder Andreas Asterix ist und wer von beiden dann Obelix sein muss und ihr habt einen Eindruck davon, was die beiden letzte Woche durch
haben.
Passierschein A38 ist in unserem Fall eine Nummer, mit der die Agentur Navo die Kaution für unsere Autos bezahlen könnte, so dass diese den Zoll und Hafen von Shanghai endlich verlassen könnten.
Wir sind den chinesischen Agenturen und Behörden damit total ausgeliefert. Darüber hinaus kämpfen wir mit den Unterschieden in Kultur und Gepflogenheiten und wissen oft nicht, welches Verhalten
gegenüber Agentur und Beamten unsere Lage verbessern oder das Schlamassel nur verschlimmern würde. So vergehen die Tage des Wartens auf Formulare, Freigaben und Nummern für uns vier im Hostel oft
mit langen Diskussionen und Vermutungen darüber, was wir tun oder lassen sollten.
Doch während Nico und Andi zusammen mit unserem Reiseleiter Shang von einer Behörde zur nächsten gerannt sind und dort Beamte abgefangen haben, auf sie eingeredet oder sie bekniet haben und jeder von beiden mal kurz davor war, fast die Fassung zu verlieren, so martert mich derzeit vor allem die Untätigkeit und Hilflosigkeit, nichts tun zu können. Aber es gibt im Moment keinerlei Alternative und wir können nur hoffen, dass diese Woche alles geregelt wird und wir zum Wochenende hin endlich unterwegs sind. Falls nicht, haben wir noch viel größere Schwierigkeiten, wenn in absehbarer Zeit unser Russland-Visa ausläuft.
Aber letzten Endes liegen all diese Probleme doch daran, dass unsere Einstellung trotz 2 Jahren Australiens immer noch zu Deutsch ist. So haben wir unsere Visas zu lange im Voraus beantragt und gedacht, mit einer chinesischen Agentur als Spezialisten würde alles wie am Schnürchen klappen. Doch die Agentur hat unvollständige Papiere eingereicht und die Uhren ticken anders in chinesischen Behörden, während die Ablauffristen unserer Visas aber trotzdem immer näher rücken. Was bleibt ist die Spannung, wie es weiter geht.
Fortsetzung folgt!
07. Juni 2012 – Schöne Neue Welt Shanghai (Bilder Shanghai)
Das alte Shanghai war einst der wichtigste asiatische Hafen, wo später die Opium-Kriege tobten und sich in den 1920ern und 30ern The Bund und die Nanjing Road erheben sollten. Bis auf die
Bauwerke an Bund und Nanjing Road ist aber vom historischen Shanghai nicht viel übrig. Stattdessen präsentiert sich die Stadt als real gewordene Zukunfts-Vision, in der die meisten der 23
Millionen Einwohner in endlosen Wäldern aus Beton-Wohnblocks im Schatten futuristischer Wolkenkratzer leben.
Seit ich hier bin, habe ich das Bedürfnis, "Schöne Neue Welt" und "1984" wieder zu lesen; im Sinne dieser Stadt, am besten auf einem E-Reader (elektronisches Buch), den ich sicher billig auf
einem der vielen Plagiats-Märkte bekomme.
Zum Lesen werde ich übrigens auch jede Menge Zeit haben, denn Shanghai ist noch immer ein großer Hafen, in dem unsere Autos gerade wie winzige Fische im Netz der chinesischen Behörden fest
hängen.
31.Mai 2012 – Taishan (Bilder Taishan)
Wir wollen mit der Bahn nach Tai An, um dort einen Berg zu besteigen. Eigentlich so, als ob wir mit dem Zug nach Mittenwald fahren, um wandern zu gehen, oder? Doch in China sieht das Ganze so aus, dass wir innerhalb von 2 Stunden 550km mit einem luxuriösen Schnellzug zurücklegen und in einer chinesischen Kleinstadt ankommen, die mehr Einwohner hat als Berlin.
Dennoch ist Tai An eine kleine Stadt, in der kaum einer Englisch spricht, nichts mehr mit arabischen Lettern beschriftet ist und die Einwohner nur äußerst selten in Kontakt mit westlichen Touristen kommen, geschweige denn mit solchen wie uns. Dies alles sind Zutaten für einen abenteuerlichen kleinen Bergtrip. Und in Tai An, abseits der Metropole Peking wird uns auch bewusst, dass nicht nur wir in China sind, um Land und Leute zu sehen. Sondern dass sich die Leute hier genauso für uns westliche Touristen interessieren, uns beobachten und Fotos von uns machen wollen, als wären wir eine Sehenswürdigkeit.
Doch von Anfang an. Schon die Hotelsuche war ein kleines Abenteuer, daran beteiligt waren ein Zettel mit den chinesischen Zeichen für eine Bushaltestelle (die falsche); eine Frau im Bus, die vom
Busfahrer gebeten wurde, mal schnell unser Hotel anzurufen und rauszubekommen, wo es eigentlich ist; ein Mädel in der Stadt, das etwas Englisch konnte und uns in ein Taxi setzte bzw. mit all
unseren Rucksäcken eher „stopfte“ und ein Hotelmitarbeiter, der uns in einer Fußgängerzone endlich fand und mitnahm.
Mit Händen, Füßen, Google-Übersetzer und einer chinesischen Studentin, die ein bisschen übersetzen konnte, dachten wir, alle nötigen Informationen zur Besteigung des Mt. Tai bekommen zu haben und
brechen um 2Uhr nachts auf. Es sind mehr als 6660 Treppenstufen bis zum nördlichen Himmelstor auf dem Berg. Wir beschließen, dass uns auch die Hälfte reicht und wir mit dem Bus bis auf halbe Höhe
fahren, um dann 2 Stunden Treppen zu steigen und den Sonnenaufgang auf dem Berg zu erleben. Nur dass der Bus nicht fährt. Das heißt also die doppelte bzw. komplette Strecke zu laufen und trotzdem
bis Sonnenaufgang da sein?!??? Um 4.45Uhr liegt immer noch dieselbe nicht enden wollende Treppe vor mir und ich denke „wenn Nico und Andi das nächste Mal auf nen Berg wollen, sollen sie da
gefälligst alleine raufkrauchen“.
Ca. 20 Minuten später lukt eine rote Sonne durch ein paar Wölkchen und erhellt langsam die umliegenden Berge, Täler, Tempel und Pagoden und ich denke „wie gut, dass Nico und Andi auf den Taishan wollten“.
Nachdem Nico und ich auf Seilbahn und Bus verzichtet haben und auch alle 6660 Stufen wieder hinab gestiegen sind, schlafen wir ein bisschen, um am Nachmittag durch die Straßen und über den Markt von Tai An am Fuße des Berges zu spazieren.
Später lassen wir den Tag mit einem Abendessen in einem Straßenrestaurant ausklingen, wo die Bestellung so aussieht, dass Konny alle anderen Tische abläuft und dem Kellner die Gerichte zeigt, die wir haben wollen. Die anderen Gäste freuen sich wiederum, dass wir Touristen dasselbe essen wollen wie sie. Es war wirklich sehr lecker, aber sollte ich jetzt noch erwähnen, dass Nico den Kopf und einen Fuß des Huhns auf dem Teller hatte?
29. Mai 2012 – vom Kaiser zur Kneipe, unser letzter Tag in Peking
An unserem letzten Tag in Peking haben wir uns vom kaiserlichen Sommerpalast verzücken lassen, um am Ende des Tages mit dem Herausgeber des einzigen chinesischen Metalmagazins in ner Kneipe zu versacken.
Der Sommerpalast ist mein persönliches Peking-Highlight, auch wenn wir nur einen Teil der weitläufigen Anlage sehen konnten. Doch wir sind beispielsweise durch die Suzhou Straße gewandelt, des Kaiser’s Einkaufsmeile, wo sein Hofstaat einst Kaufmannsladen und Taschendieb für ihn spielen musste. Durch den 725m langen überdachten „langen Korridor“, der mit unzähligen Malereien verziert ist, sind wir zum Buddah-Turm gegangen, den wir über kleine überdachte Gänge erklommen haben. Ich kann gut verstehen, warum der Sommerpalast der bevorzugte Aufenthaltsort der Kaiserin Cixi war, die sich dort z.B. das Marmorboot hat bauen lassen (von Geldern, die eigentlich für die chinesischen Truppen gedacht waren). Wirklich toll und in meinen Augen schöner als die Verbotene Stadt.
Nach einer Performance auf dem Trommelturm, wo früher die Zeit getrommelt wurde, haben wir uns mit Yang getroffen, den Nico noch von seinem ersten China-Besuch 2008 kannte. Er hatte die grandiose
Idee, mit ein paar Bieren im Gepäck ein Tretboot zu entern und über den Stadt-See zu schippern, bevor er uns in eine Metalkneipe auf nem Hinterhof gezottelt hat, die wir als Touristen niemals
gefunden hätten. Was für ein Abschluss in einer echt interessanten Stadt?!
28. Mai 2012 – widersprüchliches Peking (Bilder Peking)
Kurz nach Mitternacht fährt uns ein Taxi durch die großzügigen, weiten Straßen Pekings, um dann in eine winzige Hutong (Gasse) einzubiegen, die so eng ist, dass Andi und Nico ein Auto bei Seite „rücken“ müssen, damit unser Taxi durch passt. Die Leute sitzen noch immer auf den Gehsteigen zwischen parkenden Autos und Luken, aus denen Händler Waren und Köche Speisen verkaufen.
„Ich fürchte Schlimmes, ich fürchte wir wohnen hier“, meint Konny, als der Taxifahrer die Hausnummer 161 des 161 Hostels zu suchen scheint. Doch schon bald ist auch sie so angetan von der altchinesischen Gasse, wie wir. Die Hutong-Gegend um Dongsi ist ein echter Glücksgriff, wenn man das „alte Peking“ noch kennenlernen will. Ein paar Abende später sollten wir zum Beispiel spontan mit einer Gruppe Karaoke-Software-Programmierer aus ganz China an einem Tisch mitten auf der Shijia Hutong essen, Bier trinken und natürlich Fotos machen, obwohl wir eigentlich nur auf dem Heimweg waren.
Abgesehen von den Hutongs hat der Kommunismus jedoch ganze Arbeit geleistet und Peking präsentiert sich recht großzügig; mit 4-6-spurigen Straßen, vor allem aber großzügig mit Beton und Blöcken zugeschüttet. Das abstruse ist jedoch, dass die Pekinesen alles andere als kommunistisch sind, wenn es um den Kommerz geht. Riesige, moderne Einkaufszentren, Werbebildschirme, wohin man nur sieht, hochpreisige Designermarken, teure Autos und auffällige, schicke Kleidung bestimmen das mondäne Straßenbild dieser Stadt ebenso wie die roten Laternen vor den kleinen Restaurants, die offensichtlich nicht nur eine Erfindung von Hollywood und westlichen China-Imbissen sind.
Einen Einblick in die alte Kaiserstadt Peking bekommen wir bei Besuchen in der Verbotenen Stadt, dem Himmelstempel, Konfuziustempel, Jingshan Park und dem Sommerpalast. Es ist interessant, einen Einblick in die Lehren von Konfuzius und die Regeln des Feng Shui zu gewinnen und die jahrhunderte-alten Bauten und Skulpturen zu bewundern. Doch es fällt mir schwer, mir Kaiser, Hofstaat, Mönche und Schüler in die altehrwürdigen Tempel zu denken, ist doch alles durch den Smog der Millionenstadt vernebelt. Dieser ewige Schmutz scheint auch die Spiritualität dieser Orte vernebelt zu haben. So gut wie nie sieht man Gläubige Räucherstäbchen an Budda-Statuen opfern. Die Tempel Pekings sind fast ausschließlich zu Touristenattraktionen heruntergekommen, in die jeder auch in Shorts und Spaghettiträgern eingelassen wird, wenn er nur die beachtlichen Eintrittsgelder zahlt. Ich finde es befremdlich und traurig, sind wir doch erst vor so kurzer Zeit ehrfürchtig durch balinesische Tempel geschlichen, respektvoll mit Sarongs bekleidet und haben dort stets versucht, die Einheimischen nicht bei ihren Zeremonien zu stören.
Doch so widersprüchlich und kritikwürdig diese Stadt auch sein mag, ihr Flaire aus Alt und Neu ist
trotzdem angenehm. Wir fühlen uns wohl und teilweise an Berlin erinnert.
Die Architektur einiger großer Straßen könnte man mit der Karl-Marx-Allee vergleichen, stadtauswärts, wenn in Lichtenberg die Wohnblocks beginnen. In den alten Straßen gibt es „Spätis“ und
Imbisse an jeder Ecke. Und in „Mitte“ hinterm Trommel- und Glockenturm pulsiert das nächtliche Straßenleben in angesagten Geschäften, Restaurants und Bars, an Ladenschlusszeiten und Sperrstunden
denkt hier keiner.
22. Mai 2012 - Einreise China
Transit in Guangzhou, das heißt eigentlich nur Zwischenlandung, bevor wir mit dem gleichen Flieger auf den gleichen Sitzen weiter nach Peking fliegen. Doch hier sollten wir nun erste
Bekanntschaft mit den chinesischen Beamten machen und ins Land des Lächelns einreisen.
Wir verlassen den Flieger der Chinese Southern Airline, ein ziemlich altmodisches Modell ohne individuelles Entertainment-Programm oder Fluginfos, aber egal. Am Ende der Gangway bekommen wir
einen gelben Punkt aufgeklebt und warten. Dann wird uns bedeutet, dass wir gehen und in einen Bus einsteigen sollen. Nach einer kompletten Flughafenrundfahrt kommen wir in einem Terminal an und
laufen wie verstörte Lämmer der Hammelherde hinterher, die genauso wenig weiß, wo sie hin soll, wie wir. Bis einige Schäferhunde uns anbellen und wir uns daraufhin in einer Schlange anstellen,
die wir für die für die Transit-Reisenden halten. Falsch, ein kleiner chinesischer Schnautzer kläfft uns an, das wäre die Schlange für die internationalen Flüge. Nächste Schlange, nächster
Schäferhund knurrt uns an. Über der dritten Schlange ragt ein Schild in vertrauten Lettern: „chinese nationals“ (chinesische Staatsangehörige), doch nachdem wir hier hin getrieben wurden, werden
wir tatsächlich abgefertigt und sind damit ins Land des Lächelns eingereist.
Doch wir landen nur in der nächsten Schlange, wo knurrige Pekinesen uns einem Security-Check unterziehen, um sicherzustellen, dass wir nach diesem Einreiseprozedere nicht etwa zu Terroristen
geworden sind und Bomben in unser Handgepäck gezaubert hätten.
Zu diesem Zeitpunkt laufen die Stewardessen (die einzigen Chinesen, die wir tatsächlich manchmal lächeln sehen) schon aufgeregt auf und ab und warten auf ihre Passagiere. Doch eine Verspätung der
Maschine ist nach diesem Zirkus bereits klar und nachdem alle verlorenen Lämmer es zurück in den Flieger geschafft haben, warten wir ewig auf eine Starterlaubnis, um dann erst eine Stunde vor
Mitternacht in Peking anzukommen.