20.10.2010 – wir stechen in See
Gestern Morgen sind wir in aller Frühe aufgestanden, um Calvert Hills sehr plötzlich zu verlassen. Nicht jedoch, ohne dass wir am Vorabend einen gemütlichen Goodbye-Drink auf Paul‘s Veranda
gehabt hätten und Paul auch am Morgen um diese gottlose Zeit noch einen Kaffee mit uns getrunken hätte. Aber uns ist angeboten worden, auf einem Fischerboot sehr gutes Geld zu verdienen und damit
auch ein weiteres Abenteuer zu bestehen.
Paul’s Sohn Chase wird ebenfalls mit von der Partie sein. Auch für ihn ist es das erste Mal auf einem Fischerboot und Paul stellt mit Gelächter fest: dann sitzen wir ja alle in
einem Boot.
Die Fahrt zum Hafenörtchen Karumba war lang und langweilig. Wir waren müde, um uns herum Outback-Einöde und
keiner von uns hat viel geredet. Ich denke wir waren beide mit unseren eigenen Gedanken an Seekrankheit, Fischgestank und dem beschäftigt, was uns da so erwarten mag.
In Karumba angekommen, haben wir den Rest der Crew und das Boot kennengelernt und unsere Kojen in der winzigen 5er-Kajüte an Bord der „Felix The Cat“ bezogen.
Am nächsten Tag, spätnachmittags stechen wir endlich in See. Natürlich wissen wir immer noch nicht so richtig, was uns erwartet, denn wie immer in Australien erklärt einem natürlich nie jemand was.
22.10.2010 – auf dem Fischerboot
Nun schaukeln wir bereits den dritten Tag zwischen Seekrankheit und Fischgestank dahin. Aber immerhin wissen wir nun, was hier so ab geht: Netz auswerfen, 3-4 Stunden schlafen, Fang einholen und dann verarbeiten, bis er als Filet in verkaufsfertigen Kisten im Gefrierraum liegt. Zwischen dem Einholen der Fische und dem filetieren und verpacken gibt es manchmal noch ein paar Stunden Schlaf oder ein Frühstück. Letzteres immer in der Hoffnung, es nicht wieder über die Reling zu spucken. Tabletten und Ingwertee wirken je nach Seegang mal besser mal schlechter.
23.10.2010 – freier Tag und Inselausflug
Seit Mitternacht haben wir zwei Netze eingeholt, aber der Fang war nicht sonderlich reichhaltig und so waren
wir bereits nach dem Frühstück fertig und haben bis nachts um 4 frei.
Die Sehnsucht nach festem Boden unter unseren Füßen lässt uns Landratten Chase, Nico und mich den Rest der Crew überreden, das kleine Beiboot zu nehmen und zur nächstgelegenen Insel zu schippern.
Ein Eiland, das sonst nur ein paar Schildkröten und Vögel besuchen. Es muss um Mittag herum sein, kein Baum und kein bisschen Schatten auf dem Eiland, aber wir haben uns noch nie so über festen
Boden gefreut.
Wir spazieren ein bisschen auf dem kleinen Inselchen rum. Wir begutachten die Spuren der Schildkröten, die hier ihre Eier im heißen Sand vergraben haben. Die Spuren ziehen sich wie Reifenabdrücke von Traktoren durch den Sand. Wir planschen ein bisschen im flachen Wasser. Wir sammeln ein paar Muscheln. Und wir stellen fest, dass Robinson Crusoe hier ganz schön schlechte Karten gehabt hätte (keine Bäume, kein Frischwasser, kein Schatten und Freitag ist auch nicht).
Dummerweise wird das jedoch der erste und letzte Beiboot-Ausflug sein. Als wir nach
unserer Rückkehr zum wankenden Stinkekutter das kleine Boot aus dem Wasser holen wollen, fällt Aiden mit dem Motor hinten über ins Meer, hält tapfer den Motor fest, ersäuft dabei fast, das
Beiboot ersäuft auch fast. Am Ende sind alle gerettet, haben aber die Nase voll und wollen das Ding nicht wieder anrühren.
Also heißt es dann wohl zurück zu unseren Stinkefischen. In meinem Sushi sind mir die Makrelen bedeutend lieber.
02.11.2010 – aus mir wird kein Fischer
Was bisher geschah (Makrelen fischen und sogar ein freier Tag), war Kindergarten im Vergleich zu dem, was noch kommen sollte. Ab dem 24.10. ging es nicht mehr um Makrelen. Dadurch bekam man zwar relativ regelmäßigen Nachtschlaf ab und meine Seekrankheit war auch halbwegs überwunden. Letzteres aber vielleicht auch nur, weil die psychische Widerwärtigkeit, an der ich Tag für Tag teilnehmen musste, dem physischen durch Wellengang verursachten Brechreiz noch übertraf. Nun war es für mich an der Tagesordnung, dem Fang die Flossen und den Schwanz zu kappen, bevor Chase und Nico ihm den Kopf abschneiden und die Gedärme rausreißen konnten. Den Gestank von Blut, Salzwasser, Fischscheiße und verwesendem Meeresgetier in der heißen australischen Meeresluft werde ich nicht wieder vergessen.
Hinzu kamen weitere Kleinigkeiten. Irgendwann hat sich zum Beispiel jeder kleinste Mückenstich entzündet, da er ständig in Kontakt mit Salzwasser und Fischkeim war. Die Hände
sind nach einigen Tagen harter Arbeit in nassen, keimigen Handschuhen nur noch wie Klauen. Ich habe auch keine Ahnung, was in dem Putzmittel war, das wir benutzt und jeden Abend ins Meer
gewaschen haben, jedenfalls habe ich davon einen ordentlichen Ausschlag bekommen. Darüber hinaus waren die Jungs an Bord zwar glücklicherweise richtig nett und eine ausgelassene Gesellschaft,
aber über Gepflogenheiten wie das Essen (bzw. den ganzen Tag nichts essen) oder den Umgang mit dem Müll, konnte ich nur den Kopf schütteln.
Ich glaube, Nico wird auf noch ein paar Aspekte auf dem Boot eingehen, lest hier.
Wenn es also eine Seefahrerromantik gibt, dann ist sie nicht auf einem Fischerboot zu finden. Delfine, die zu Sonnenaufgang ums Boot springen sind einzigartig. Wenn man jedoch gleichzeitig
befürchtet¸ dass sie aus Versehen ins Netz gehen könnten und man sie dann zusammen mit all den anderen mehr oder weniger toten Fischen an Bord ziehen müsste, ist das einfach
nur tottraurig.
Der industrielle Fischfang ist nichts für mich ist und nichts ist, dass ich gut heißen kann. Daher haben wir auch so früh wie möglich wieder von Bord gehen wollen.
Am Morgen des 1.11. wurde das kleine Beiboot wieder zu Wasser gelassen, um uns am Strand der Mineninsel Groote Eylandt abzusetzen. Groote Eylandt hat einen Flughafen, von dem aus ein kleines
Propellerflugzeug nach Gove geht. In Gove konnten immerhin 2 Flieger starten und landen, von hier aus ging es mit einer Qantas-Maschine zurück nach Cairns.
Die erste Nacht im richtigen, nicht schaukelnden Bett habe ich davon geträumt, Fische auszunehmen und zu verpacken. Ich bin aufgewacht und es war nur ein Traum, anders als die letzten
Wochen, zum Glück!
05.11.2010 – noch einmal nach Karumba und wieder weg
Bevor der Bus nach Karumba zurück zum abgeparkten Auto ging, konnten wir nach der rauen Seeluft zwei Tage lang in Cairns Stadtluft schnuppern, ins Kino zu gehen, Café Latte trinken usw.
Am Mittwochmorgen hieß es dann 4Uhr aufstehen und zum Bus, wo wir von einem mauligen Busfahrer mit den Worten „no food and drinks in the bus“ (keine Speisen und Getränke im Bus) begrüßt wurden.
Aber wir waren ja längere Hungerphasen vom Schiff gewöhnt und haben unsere Stullen brav in den Pausen gegessen. Nach knapp 12 Stunden hat er uns in Karumba Point rausgeschmissen, was leider immer
noch einige Kilometer von Karumba selbst entfernt war. Während wir unsere Rucksäcke aus dem Bus zerrten gab er uns den netten Ratschlag, wir könnten ja nach Karumba trampen. Also haben wir
unseren Schwerlasttransport per pedes in Bewegung gesetzt (Nico mittlerweile ebenso maulig wie der Busfahrer, ob dem Unverständnis darüber, dass wir auf dem Schiff zwar nur jeder ne Koje und 3
Regalfächer hatten, unser Rucksack aber dennoch 25kg wog). Dummerweise war zu dieser Zeit im Jahr in Karumba Point nicht mit allzu vielen Autos zu rechnen, die einen mitnehmen hätten können.
Glücklicherweise dauerte es aber nicht so lange, bis wir hoffnungsvoll ein Fahrzeug kommen sahen. Es war Kay aus Schwerin. Wir hatten ihn schon vor 14 Tagen kennengelernt, als
wir in See gestochen sind.
Bei ihm und seiner Freundin Maika sind wir am Abend nochmal vorbei gegangen. Die beiden haben ein Häuschen
mit Gemüsegarten und ein Wallabie im Wohnzimmer, das Maika am Straßenrand aus dem Beutel seiner totgefahrenen Mutter gerettet hat. Nun müssen sie Ellie in einer kleinen
Handtasche nahezu überall mit hin nehmen, und wenn es in den Baumarkt ist, wo man auch mal nen Mann mit nem weiteren Känguru in der Tasche trifft …. Diese und andere
Geschichten wurden an diesem sehr gemütlichen Abend bei nem kühlen Getränk ausgetauscht.
Kay & Maika und das putzige Wallabie Ellie waren nach den ganzen fischigen Erfahrungen rund um Karumba
ein echt herzliches Highlight.
Am nächsten Morgen haben wir uns endlich das Auto wieder geschnappt und sind nun wieder im Outback unterwegs, was mir bedeutend angenehmer ist, als der schaukelnde Fischkutter.